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Bolivien

 

19.09.2012: San Pedro de Atacama (Chile)

 

Wir sind jetzt schon seit ein paar Tagen in Chile, wollen euch aber natürlich nicht unsere letzten Erlebnisse in Bolivien vorenthalten.  

 

Zum Schluss unseres Bolivienaufenthaltes hat uns ein absolutes Highlight erwartet, das wir seit Beginn unserer Reise fest im Auge hatten: Eine Jeep-Tour durch die bolivianische Wüste nahe den Grenzen zu Chile und Argentinien. Als Startort hat sich Uyuni angeboten, ein insgesamt wenig charmanter Wüstenort, den man nur zu Beginn oder Abschluss einer solchen Wüstenreise besucht. Gemeinsam mit Bruna und Gisele, zwei Brasilianerinnen, die wir bereits in Potosi kennengelernt hatten, haben wir uns hier auf die Suche nach einem sympathischen Anbieter gemacht, der uns bis nach Chile bringen würde. Das war leichter als gedacht und schon einen Tag später ging es los.

 

Warten auf die Abfahrt in Uyuni.

 

Drei Tage lang würden wir durch die Wüste fahren, die hier weitaus mehr zu bieten hat als nur Sand. Die Akkus unserer Kamera wurden auf eine harte Probe gestellt.

Der erste Stopp war der „Cementario de trenes“, ein Eisenbahnfriedhof, in dem auf zwei Gleisen aneinandergereihte Loks und Waggons vor sich hin rosten. Vor der Wüstenkulisse geben sie entsprechend außergewöhnliche Fotomotive ab.

 

"Hobo" Aumi.

 

Nach dem Friedhof ging es zur „Salar de Uyuni“, der größten Salzwüste der Welt mit 10.580km². Sonnenmilch mit hohem Lichtschutzfaktor und eine gute Sonnenbrille waren extrem wichtig, um auch nach einer Stunde noch Spaß zu haben.

 

In der Salar de Uyuni.

 

Da passt man einmal nicht auf und schon muss Aumi den Leckstein für Elefanten probieren.

 

Mittagessen in der Salzwüste.

 

 

Nach dem Mittagessen ging es weiter zur „Isla de Pez“, der Fischinsel, die so heißt, weil sie aus der Ferne aussieht wie ein riesiger Fisch, der durch das Meer aus Salz schwimmt. Auf dieser Insel wachsen, inmitten der sonst so lebensfeindlichen Landschaft, riesige Kakteen und schon nach noch nicht mal einem Tag in dieser Gegend nimmt man die Farben hier (im Wesentlichen braun und grün) als eine sehr bemerkenswerte und angenehme Veränderung wahr.

 

Kleiner Aumi zwischen riesigen Kakteen.

 

Die erste Nacht haben wir in einem Salzhotel übernachtet (über die Definition von „Hotel“ müssten wir mit den Bolivianern allerdings noch mal reden).

 

Warten auf den Sonnenaufgang vor dem Salzhotel. 

 

Ein neuer Tag bricht an.

 

Am zweiten Tag der Tour standen unter anderem verschiedene Felsformationen auf dem Programm, die durch den Jahrtausende langen Einfluss von Wind, Hitze und Kälte entstanden sind.

 

Bizarre Felsformationen.

 

Schöner Ausblick auf einen der vielen Vulkane.

 

Neben Felsen und Vulkanen haben wir auch Flamingos bewundern können, die in den vielen Lagunen, die in den intensivsten Farben leuchten, beheimatet sind.

 

Pink, schlank und auf einem Bein: Nein, kein Pelikan. Ein Flamingo!

 

Noch ein Flamingo?

 

Blick auf die Laguna Colorado.

 

Nur mit Allradantrieb ist der Trip durch die Wüste möglich.

 

Neben den beiden Brasilianerinnen war übrigens auch noch ein australisches Pärchen mit an Bord, und diesmal passte die Gruppe wirklich wunderbar zusammen. Die Stunden im Auto wurden nicht langweilig, jeder durfte mal DJ spielen und die heißblütigen Brasilianerinnen motivierten zum Tanzen auf engstem Raum. Die Abende in den rustikalen Unterkünften waren ebenfalls laut und sehr witzig, wenn jeder nach zu viel Kaffee oder Wein die peinlichsten Geschichten der letzten Jahre gestenreich zum Besten gab.

 

Es ist kalt, die Klotür ist kaputt und jemand hat ins einzige Waschbecken gekotzt – aber egaaaal!

 

Der letzte Tag begann sehr früh. Schon um 5 Uhr waren wir mit dem Jeep wieder unterwegs, um die in den frühen Morgenstunden aktive Geysire zu sehen. Ein unbeschreiblich lautes, stinkendes, kaltes und wunderschönes Naturschauspiel.

 

Geysir.

 

Schattenspiele im Morgenlicht.

 

Anschließend ging es zum Aufwärmen weiter zu heißen Quellen. Nachdem die kalten Füße sich an das 37 Grad Celsius warme Wasser gewöhnt hatten, wollten wir gar nicht mehr raus – nicht  nur des warmen Wassers wegen, sondern vor allem wegen der atemberaubenden Landschaft ringsherum.

 

Wellness in Bolivien – auch für die Augen ein Genuss.

 

Nach dem Abschied von den beiden Australiern, die auf das letzte Highlight der Tour verzichtet haben, um das warme Wasser weiter zu genießen (sie kamen im laufenden Jahr auf insgesamt nur 15 heiße Duschen!), sind wir zum Abschluss zur Laguna Verde gefahren, der grünen Lagune. Leider ist die Farbe von der Sonneneinstrahlung abhängig und sie nimmt ihr charakteristisches Grün erst gegen 10 Uhr morgens an. Da wir um diese Uhrzeit aber bereits an der Grenze zu Chile sein mussten, haben wir mit einer weniger spektakulären Farbe vorlieb genommen und uns dafür an den Spiegelungen der Vulkane erfreut.

 

Spiegelung in der Laguna Verde.

 

Zum Abschluss unserer Bolivienreise haben wir uns dann noch mit einem Steinmännchen vor der Lagune „verewigt“ und damit gute Wünsche an alle unsere Lieben in den Himmel und um die Welt geschickt.

 

Ur-Zeit Lego.

 

An der Grenze gab es noch schnell ein Abschlussfoto mit José, unserem Fahrer und Koch der letzten drei Tage, und dann haben wir den Kleinbus nach Chile bestiegen, in dem Aumi im Kofferraum neben den 25 Rucksäcken platznehmen musste.

 

An der chilenischen Grenze.

 

Unsere Zeit in Bolivien war leider geprägt von einigen Magenverstimmungen, deswegen waren wir zwischendurch etwas frustriert. Mit den unbeschreiblichen Eindrücken der letzten drei Tage aber fällt es uns leichter, auch die anderen Momente zu sehen, in denen wir nicht an Bett und Badezimmer gefesselt waren und wir sind begeistert von der Vielfältigkeit der Landstriche und Städte, die wir gesehen haben: Der mediterranen Stimmung am Titikaka-See, dem Kontrast zwischen der kalten und lauten Stadt La Paz und dem feinen und warmen Sucre, dem starken Charakter von Potosi und am Schluss den Naturschauspielen in der Wüste.

Nach vielen Monaten in den sehr hohen Regionen der Anden ziehen wir jetzt aber erwartungsvoll und fröhlich in die tieferen Regionen Chiles und Argentiniens.

 

Unser Geschmack Boliviens: Kamillentee.

 

 

13.09.2012: Potosi

  

Recht spontan haben wir uns in La Paz zur Weiterfahrt nach Sucre entschieden, der „weißen Stadt mit den angenehmen Temperaturen“, wie es im Reiseführer heißt. Die verfassungsmäßige Hauptstadt Boliviens (La Paz ist dagegen der Regierungssitz) liegt auf „nur“ 2.790 Metern üNN, und wir wollten hier noch mal unser Glück mit der Sonne versuchen - und wir haben es gefunden!

Und was kann man alles tun, damit es neben der Sonne noch schöner wird? Na, zum Beispiel das:

Sich in einer schönen Stadt…

  

Blick auf die Iglesia San Francisco.

 

…in einem schönen Hostal einquartieren…

 

Sonnenschein, ein wunderschöner Innenhof und sie bislang beste Dusche der Reise.

 

…großartigen Kaffee genießen, der sogar Aumi an den Rand seiner Fähigkeiten zwingt (leider nur zwei Tage lang, danach war die Maschine kaputt und das Café blieb mindestens 4 Tage ohne Kaffee)…

 

Aumi mit dem (angeblich) größten Cappucino Südamerikas.

 

…und – last but not least –leckere Getränke konsumieren: 2 Cocktails während der Happy Hour zum Preis von umgerechnet weniger als zwei Euro. Der Alkoholgehalt so eines kleinen Muntermachers hatte es allerdings in sich und hätte auch locker für vier Getränke einer Sorte gereicht:

 

Aber nur zwei auf einmal für jeden ...

 

Nach so viel Genießen musste dann wieder ein bisschen Bewegung her. Also haben wir uns für eine zweitägige Wanderung in der Umgebung von Sucre entschieden.
Die Anfahrt fand mit dem öffentlichen Vieh… äh, Personennahverkehr statt. Ein bolivianischer LKW, auf dessen Ladefläche bestimmt 50 Leute Platz gefunden haben, selbstverständlich inklusiver ihrer Einkäufe: Bretter, Hühnern und Hähnen, einem Sarg… eben allem, was man auf dem Markt so kaufen kann.

 

1,5 Stunden Fahrt auf der Schotterpiste. So werden vor dem Wandern schon mal die Arme trainiert.

 

Unterwegs waren wir mit zwei Tourismusstudenten, die uns den Weg gezeigt haben und als Übersetzer fungierten, da unsere Übernachtung in einem Ort war, in dem ausschließlich Quechua gesprochen wird und wir mit unserem hart erarbeiteten spanisch nicht sehr weit kommen würden.

 

Wandern in wunderschöner Landschaft.

 

Die Guides studieren normalerweise Tourismus in Sucre und haben nicht mit der Wimper gezuckt, als sie uns im Vorfeld versprochen haben, sie beherrschten ein „medium english“. Wie sich sehr schnell herausstellte, beschränkten sich ihre Kenntnisse allerdings auf „mucho careful“, „beautiful“ und „much good?“, was sie als „Alles in Ordnung“ verstanden haben wollten. Am zweiten Tag waren wir entsprechend genervt von den vielen bemühten, historisch und geographisch bestimmt sehr informativen Erklärungen auf Spanisch.
Beim Abendessen in der „gemütlichen Unterkunft“ in Marawa war die Stimmung allerdings ziemlich super. 

 

Buen Provecho! Spaghetti Bolognese – das perfekte Trekking-Essen, da sich die Zutaten (Hack) so super für eine Wanderung durch die Sonne anbieten.

 

Highlight der Wanderung war ein riesiger Krater, in dem man sich ein bisschen wie auf den Mond katapultiert fühlte.

 

Außergewöhnliche Umgebung.

 

Diese Gegend wird bewohnt von Campesinos, Bauern, die ihre Felder noch auf sehr ursprüngliche Art und Weise bearbeiten. In dem grünen Beutel sind Coca-Blätter, die hier permanent gekaut werden (um keine Müdigkeit und Hunger zu spüren) und als Willkommensgruß überreicht werden.

 

Leben auf dem Land in Bolivien.

 

Nach unserer Ankunft im Zielort Quila Quila und einem reichhaltigen, nahrhaften Mittagessen – einer bolivianischen 5-Minuten-Terrine – ging es wieder auf einen LKW.

Von diesem Ort aus fährt täglich nur ein LKW und der war entsprechend hoffnungslos überfüllt. Was nicht heißt, dass zwei große Europäer mit noch größeren Ruckis da nicht auch noch draufpassen. Allerdings mussten wir unsere Rucksäcke während der gesamten dreistündigen Rückfahrt auf dem Rücken tragen, weil auf dem Boden kein Millimeter Platz mehr gewesen wäre, wie dieses Bild hier eindrücklich beweist:

 

In den Top 10 der höllischsten Fahrten ganz weit oben.

 

Drei Stunden lang mussten unsere Füße stillhalten, weil wir mit unseren Wanderbotten sonst alte Frauen zerquetscht hätten, die die Fahrt nur sitzend schaffen konnten.

 

Nachdem wir auch in Sucre mal wieder viel länger geblieben sind, als ursprünglich geplant, sind wir dann am Freitag weitergefahren nach Potosi, der mit 4.067 Metern üNN höchstgelegenen Großstadt der Welt (bald ist es vorbei mit den ekeligen Höhenangaben, versprochen).

Vom Glockenturm der Iglesia Compania de Jesus, heißt es, soll man einen tollen Blick über die Stadt haben. Da mussten wir natürlich hoch.

 

Aumi? Bist du schon da? Siehst du schon was?

 

Ja, sieht prima aus.

 

Und wirklich: Der Blick war fantastisch. Vor uns tat sich der Cerro Rico (reicher Berg) auf, der Berg, der das Schicksal dieser Stadt seit 1545 bis heute bestimmt: Auf der Suche nach den Edelmetallen, die sich im Gestein verbergen, werden viele Männer dieser Stadt zum „minero“, zum Minenarbeiter. Es gibt ca. 600 Mineneingänge, 120 davon sind heute etwa noch in Betrieb.
Die Arbeitsbedingungen sind denkbar schlecht: Es ist dunkel und heiß, die Ausbeute ungewiss, kein Ingenieur überwacht oder koordiniert die Arbeiten und jeder kann hier graben und sprengen, wie er möchte. Der Staub macht die Männer krank und nur wenige werden älter als 40 Jahre alt. Sie kauen haufenweise Coca-Blätter, die sie beruhigen und ihr Hungergefühl bremsen, um die harten Umstände zu ertragen. Und obwohl es verboten ist, kümmert sich der Staat nicht darum, dass auch Kinder hier arbeiten, um ihre bedürftigen Familien zu unterstützen.
Die Psyche der sehr gläubigen Minenarbeiter wird auf eine sehr harte Probe gestellt: Sie sind überzeugt, dass Gott sie im Berg nicht mehr beschützen kann, da hier, so tief in der Erde, der Teufel das Sagen hat. „El tio“, wie sie ihn nennen, hat die Macht, im Berg über Leben und Tod, über Erfolg und Armut zu entscheiden. Er allein kann sie hier beschützen. Also huldigen sie, sobald sie das Innere des Berges betreten, dem Teufel, dem in jedem einzelnen Mineneingang eine eigene Statue gewidmet ist. Zu Beginn jeder Schicht bringen sie „el tio“ Geschenke, wie zum Beispiel Alkohol, Zigaretten oder Coca-Blätter, um ihn zu besänftigen und um ihn zu sättigen, damit er nicht sie, die Minenarbeiter, „isst“.
Übrigens: Wen das Schicksal der Minenarbeiter und vor allem der Kinder in den Minen interessiert, dem empfehlen wir die sehr bewegende Dokumentation „The Devil’s Miners“.

 

Der Schicksalsberg Cerro Rico thront über der Stadt. Die bedrohlichen Wolken unterstreichen seine zweifelhafte Bedeutung.

 

Die andere Seite von Potosi: Eine schöne Kolonial- und Universitätsstadt mit wunderbaren Gebäuden.

 

Kinderbelustigung auf bolivianisch: Panzerfahren in der Fußgängerzone. Die Erziehung scheint nicht sehr pazifistisch geprägt zu sein ...

 

Die Minen sind, auch wenn es bitter klingt, eine Attraktion für Touristen und natürlich haben auch wir uns für eine Minentour angemeldet, um einen authentischen Eindruck vom Arbeitsleben dort zu bekommen. Denn: Besucht werden keine stillgelegten Schächte – alle Touristen sehen „men at work“, hören Sprengungen und müssen sich vor den Loren in Acht nehmen, in denen bis zu 1 Tonne Schutt und Gestein aus dem Berg geschoben werden – in Handarbeit von jeweils drei Mineros.

 

Minero Aumi und Minera Lisa.

 

Vorab besucht jede Tour den örtlichen Markt, auf dem man die typischen Geschenke und Mitbringsel für die Arbeiter im Berg kauft. Das sind ganz gewöhnliche Dinge, wie man sie eben bei der Arbeit so braucht: Coca-Blätter, Brause, 96%iger Alkohol und Dynamit. Ganz richtig: Hier kann man Dynamit kaufen. Vollkommen legal, von der netten Mutti im Kiosk.

 

Auf geht's.

 

So ausgestattet wandert man dann im Entenmarsch in den dunklen, immer enger und heißer werdenden Berg hinein. Mit Respekt vor dieser letzten Männerdomäne (und mit Respekt vor der eigenen Neigung zu Klaustrophobie in Tunneln) ist Lisa mit den Frauen der Touristentruppe nach ca. 15 Minuten wieder umgedreht. Der kleine übriggebliebene Kreis „echter Männer“ hat dafür einen wirklich intensiven Einblick in die Arbeit bekommen.

 

Auminero bei der Arbeit an der Schiebkarre, Gestein abtransportieren.

 

Der Guide demonstriert eine Sprengung. Hier zündet er Dynamit, das er kurz danach in einen benachbarten Schacht zur Sprengung bringt.

 

Männer – alles klar zur Sprengung?

 

Was auf den Bildern hier nicht zu sehen ist, sind die Mengen an Alkohol, die sich die Mineros und der Guide während der gut zweistündigen Führung einverleibt haben. Dabei ist das nichts Ungewöhnliches: Vor einer Sprengung wird zunächst ein wenig Alkohol „Pachamama“ gespendet, Mutter Erde, der man ja damit Boden wegnimmt. Also werden einige Tropfen auf den Boden geworfen. Anschließend wird „el tio“, dem Teufel,  Alkohol gespendet, damit er die Sprengung bewacht und Böses verhindert. Zuletzt nimmt der Minero, der das Dynamit in den Berg schiebt, einen tiefen Schluck, um sich zu beruhigen, einen klaren Kopf zu bewahren und zitternde Hände zu vermeiden.

Und auch wenn es sich wirklich abstrus und unmöglich anhört: Nachdem wir die Arbeitsbedingungen im Berg erlebt haben, können wir diese zusätzliche Belastung der Gesundheit durchaus nachvollziehen.

Nach diesem Erlebnis, das für Aumi zu einem der spannendsten bisher gehört, verlassen wir jetzt Potosi, eine Stadt, von der wir im Vorfeld viel Traurigkeit und Trostlosigkeit erwartet haben, und die uns sehr überrascht und bewegt hat.

 

Abendstimmung in Potosi vor der Kulisse des bedrohlichen Cerro Rico.

 

 

29.08.2012: La Paz

 

Hola amigas y amigos,

 

und viele Grüße aus Bolivien! Nach den Tagen in Puno sind wir einmal halb um den Titikaka-See gefahren und schon waren wir da: In Copacabana. Nicht das in Brasilien, sondern ein Wallfahrtsort in Bolivien. Hier haben wir uns als erstes die Virgen Morena angesehen, die „dunkle Jungfrau“. Eine Marienstatue, die an eine indigene Frau aus Südamerika erinnert. Spannend ist aber nicht nur die Statue selbst, sondern vor allem der Raum, in dem sie steht: Man geht durch einen engen schwarzen Gang, der nur von unzähligen großen und kleinen Kerzen erhellt ist. Mit dem Wachs der Kerzen kann man seine Wünsche und Gebete in Form von Bildern an die schwarzen Wände kleben. Entsprechend viele kleine Kunstwerke gibt es auf dem Weg zur Statue zu bewundern.

 

Bewegende Stimmung.  

 

Auffallend häufig haben wir an den Wänden Abbildungen von Autos gefunden. Gute Wünsche für Schrottkarren aller Art sind aber eigentlich überflüssig, denn man kann sie direkt vor dem Eingang zur Kirche von einem Priester weihen lassen. Dazu reist die ganze Familie, oft sieben oder acht Personen, in einem Auto an (in Deutschland pessimistisch als „Fünfsitzer“ bezeichnet), das über und über mit Blumen, Girlanden und sogar kleinen Hütchen geschmückt ist. Alles, was den Angereisten sonst noch wichtig ist und in ein Auto passt, wird gleich mit vor das gute Stück gelegt, damit es auch etwas von dem gesegneten Wasser abbekommt, das der diensthabende Priester großzügig aus einem Blecheimer mit Hilfe einer geschmackvollen Plastikblume verteilt. Anschließend gibt es ein Erinnerungsfoto mit dem Priester, dann die ein oder andere Flasche Sekt für die ganze Familie (Ex oder Arschloch) und dann fährt man wieder zurück nach Hause. Kann ja nix mehr passieren, ist ja gesegnet.

 

Autosegnung in Copacabana mit Blecheimer und Plastikblume.
Ist es ein Priester mit Cap oder ein Mechaniker mit Kutte? Wir wissen es nicht so genau…
 

 

Von Copacabana sind wir zur Isla del Sol gefahren, deren Name (Sonneninsel)  sich nach der ganzen Kälte in den Bergen ziemlich ermunternd anhörte. Die Wanderung auf der Insel war auch sehr sonnig und das Flair erinnerte insgesamt schon stark an das Mittelmeer...

 

Mediterrane Stimmung…

 

... aber dass wir beim Pause-machen doch die (neuen) Daunenjacken rausholen mussten, führte uns unbarmherzig wieder vor Augen, dass auch die Isla del Sol auf fast 4.000 Metern über dem Meeresspiegel liegt und dass der Vergleich mit dem Mittelmeer nicht wirklich gerechtfertigt war.

 

Pausenbekleidung wie in den Bergen. 

 

Von Copacabana sind wir dann weitergefahren nach La Paz, einer geographisch unglaublich gelegenen Stadt, die sich auf 1.000 Höhenmeter erstreckt. Auf 4.050 Metern liegt flach wie Hannover „El Alto“, eine mittlerweile eigenständige Stadt, die bis 1985 noch zu La Paz gehörte und die mehrheitlich von der indigenen Bevölkerung der Berge, den Aymara und den Quechua, bewohnt wird. Von dort geht es in einer Senke, die durch einen gewaltigen Erdrutsch am Ende der letzten Eiszeit entstanden ist, steil nach unten und das eigentliche La Paz beginnt. Die gesamte Senke ist natürlich aufs Engste bebaut, die Häuser kleben wie Bienenwaben übereinander.

In der Stadt existieren ganz selbstverständlich Viertel mit sehr unterschiedlicher Prägung nebeneinander. Zum Beispiel gibt es koloniale Stadtteile, wie hier um den Plaza Murillo ... 

  

Aufgeschreckte Tauben auf dem Plaza Murillo, eine Herausforderung für Lisa's Nerven. 

 

… und nur unweit davon beginnt der sogenannte „Hexenmarkt“, ein Viertel mit stark ausgeprägter indigener Tradition. In den Geschäften und Straßenständen werden zum Beispiel Lamaföten zum Verkauf angeboten. Sie sollen, in der Erde vor dem Haus vergraben, Glück bringen. Pachamama (Mutter Erde) soll es angeblich friedlich stimmen. Lisa erinnert das ganze jedoch leider stark an Filme wie „Friedhof der Kuscheltiere“, und bei jeder neuen Übernachtung stellt sich wieder die Frage, wie viele ungeborene Lamas hier wohl unter der Erde liegen.

 

Lamaföten im Angebot auf dem sogenannten „Hexenmarkt“.
 

Und hier noch mal aus der Nähe. Das bislang abstoßendste „Produkt“, das uns auf der Reise begegnet ist. 

 

Große Freude verbreitete dagegen der Anblick dieser Fahrgeschäfte, die hier in großer Anzahl selbst durch die engsten Gassen fahren: Microbusse amerikanischer Bauart mit wunderbaren Kühlerfiguren!

 

Unsere nächste Investition? Der eignet sich betimmt auch prima als Camping-Bulli.        

 

Während der Tage in La Paz haben wir aber gemerkt, dass uns die seit Monaten kalten Temperaturen zu schaffen machen. Die Herausforderung besteht vor allem darin, dass es in den Häusern so kalt ist und man sich „zu Hause“ nicht entspannen kann. Heizungen, Öfen oder Kamine sucht man vergebens, obwohl es doch eigentlich Grund genug dafür gäbe: Immerhin ist es von abends 17 Uhr, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet, bis morgens neun, zehn Uhr kalt. Erst dann steht sie wieder hoch genug, um für eine angenehme Wärme zu sorgen. In der Zwischenzeit heißt es: Jacke an und Mütze auf beim Frühstück und beim Abendessen!

 

Kaltes Frühstück in der Hostel-Küche - wie so oft.         


Auch eine Wanderung konnte uns nicht von der Tatsache ablenken, dass es einfach scheiße kalt ist.

 

Klarer Himmel, aber lange Schatten und frostige Temperaturen beim Frühstück auf fast 5.000 Metern. Stimmung: Mäßig…

 

Karge Landschaft, wohin das Auge reicht.

 

Und was macht man, wenn‘s zu kalt ist? Richtig! Man bucht die Besteigung eines Gletschers. Mit Steigeisen und Eisaxt bewaffnet haben wir uns auf den 5.392m hohen Charkini gewagt, unser erster richtiger Gipfel!

Vorab gab es natürlich ein ausführliches Training.

 

Vor dem Training: Super Lisa! Axt ist richtig rum! (Meine erste Axt!!!)

 

Training bestanden – kann losgehen!

 

Am nächsten Morgen um 5 Uhr gings dann im Refugio los. Stirnlampe auf und ab dafür.

 

Lisa und der Bergführer. Kurze Pause im Morgengrauen.        

 

Tolle Ausblicke beim Anstieg. 

     

Und nach knapp zwei Stunden wurden dann die Steigeisen untergeschnallt.

   

Seilschaft ohne Plan aber mit Bergführer.
 

Ganz schön steil, aber dank der Steigeisen kein Problem.

         

 

Erstes Gipfelfoto. Und keiner der Männer sagt Lisa Bescheid, dass die Haare nicht liegen und auch der Rest des Gesichts ein zweites Foto vertragen könnte. Na toll.

 

Und weil der frühe Vogel den Wurm fängt, hatten wir den gesamten Mittag und Nachmittag frei. Super.

 

 

Lesenachmittag vor dem Refugio Huayna Potosi. 

 

Kamin-Romantik mit Daunenjacke und Mütze.

 

Nach dieser Schocktherapie zum Thema „Kälte“ sind wir am nächsten Morgen den dreitägigen „Choro-Trail“ gestartet, der von der Cordillera Real entlang präkolumbischer Wege (Aumi: „‘Präkolumbische Wege‘ – was heißt das überhaupt?“ Lisa: „Keine Ahnung, stand im Reiseführer.“) runter in die subtropischen Yungas führt. „Subtropisch“ – was für ein wunderbares, wohlklingendes Wort…

Nach einem kurzen Aufstieg auf wieder mal fast 5.000 Meter konnten wir einen ersten Blick auf die Strecke der kommenden Tage erhaschen und auch ohne größere Kenntnisse in Wetterkunde machte sich die Befürchtung breit, dass wir mit dem Wetter diesmal möglicherweise nicht so viel Glück haben würden.

         

Dichte Wolkendecken lassen nichts Gutes erahnen.

 

Und ja, genauso war es. Zuerst mussten die warmen Sachen wieder aus dem Rucksack geholt werden, wenig später dann die Regensachen. Die ganze erste Nacht über hat es geregnet wie aus Eimern und auch am zweiten Wandertag gab es kaum Momente ohne Regen. „Der erste Regen der Saison, eigentlich geht es erst später los“, so die erstaunten Worte eines Guides, dem wir auf dem Weg begegnet sind. Und auch die Tatsache, dass der Weg mit Steinen aus Inka-Zeit gepflastert war, erwies sich in Kontakt mit Regen als weniger geil: Nachdem schon die Inkas auf diesem Weg Produkte aus Amazonien in die Berge transportiert haben, waren sie unfassbar glatt und glitschig.

 

 

 

Nix mit schönen Weitblicken über die Berghänge.


Der Blick reichte gerade noch so weit, dass wir anhand dieses Bildes rekonstruieren können, dass uns King Kong verfolgt hat.

 

  „Buena Vista“ – die Bolivianer haben einen sehr ausgeprägten Sinn für Humor!

 

 Klitschnass am wenig einladenden Zeltplatz angekommen, der aber wenigstens überdacht war, so dass wir die Klamotten nicht mit ins Zelt nehmen mussten.

 

Zum Glück sind noch ein paar weitere Wanderer mit uns mehr oder weniger zeitgleich gegangen. Vor allem mit einem französischen Pärchen haben wir uns prima verstanden. So waren die Tage und Nächte unterm Strich doch ziemlich witzig und erträglich. Und die Mücken konnten sich auf mehrere Personen aufteilen.

 

Geschafft. Wir stoßen auf das Ende des Treks an.      


Am Zielort Coroico angekommen sind wir in ein Hostal mit Pool eingezogen. Angeblich soll man in dort ja so herrlich entspannen können… Zitat aus dem Reiseführer: „Coroico… ist ein verträumter und paradiesischer Ort, …in dem man gerne einmal die Seele baumeln lässt.“

 

Nix mit Seele baumeln. Nur schnell weg!

 

Zurück in La Paz wartete die Sonne auf uns, wie schön! Mit Hilfe der Wäscherei um die Ecke haben wir uns erstaunlich schnell von der Regentour erholt und planen jetzt unsere Weiterfahrt.

 

Bis bald – alles Liebe,

Daniel & Lisa